Gleich das erste Bild eines pochenden, von Stahlklammern offengelegten Organs nimmt die Stoßrichtung vorweg: Nach „Dogtooth“ und „The Lobster“ unternimmt Yorgos Lanthimos ("Poor Things") erneut eine Operation am offenen Herzen unserer zivilisatorischen Gewissheiten.
Steven (Colin Farrell) heißt der Herzchirurg, der sich wie ein Halbgott in Weiß nach der OP in Zeitlupe die blutigen Handschuhe abstreift und sich mit seinem Anästhesisten über teure Armbanduhren austauscht. Stevens Frau Anna (Nicole Kidman) ist klug, schön und leitende Oberärztin einer Augenklinik. Die Kinder, eine 14-jährige Tochter und ein zwei Jahre jüngerer Sohn, haben die richtigen Hobbys und ein gehorsames Erscheinungsbild.
Alles könnte perfekt sein, in der Vorortvilla von Cincinnati, würde die Inszenierung von Yorgos Lanthimos dieses Abziehbild einer Bilderbuchfamilie nicht immer wieder so unheimlich verformen: Weitwinkel-Perspektiven lassen Gänge ins Unendliche wachsen. Die mal unangenehm hoch, mal dunkel pochenden Streicherklänge von Cellist Siegfried Palm wechseln sich mit Dialogen ab, die so aufgesetzt heruntergeleiert klingen, dass sie nur von innerer Entfremdung zeugen können.
UnHEIMlichkeit im wahrsten Wortsinne macht sich breit in dieser aseptischen, heruntergekühlten Umgebung mit der erstarrten Familienstruktur, in die sich ein waberndes, schwarzes Geschwür namens Martin (Barry Keoghan) einzunisten beginnt. Der plötzlich auftauchende junge Mann ist ein Artefakt aus Stevens Vergangenheit, das immer aufdringlicher wird und sich so wenig abschütteln lässt wie das Gefühl einer zunehmenden Bedrohung. Martin prophezeit den Untergang: Erst Lähmung, dann blutende Augen, final der Tod werden Stevens und Annas Kinder ereilen, wenn Steven nicht eines seiner Familienmitglieder opfert. Steven, der Hiob der Aufklärung, bleibt ungläubig. Doch der irreale Horror, der die ganze Zeit lauert, nimmt langsam und grausam Gestalt an.
Wo das metaphysische Setting von „The Lobster“ und „Poor Things“ bei Yorgos Lanthimos widerspruchslos Realität war, stemmen sich die Figuren in „The Killing of a Sacred Deer“ noch gegen die fantastische Prämisse und ihre tragischen Konsequenzen. Erst ziehen sie ungläubig medizinische Analysen heran. Dann wird auf Anna als Bittstellerin gesetzt. Zuletzt schreckt das Familienoberhaupt auch vor barbarischer Gewaltanwendung nicht zurück. Steven ist der hochtrabende, arrogante Agamemnon, dessen Tötung eines heiligen Hirschs in der „Iphigenie“-Sage schwere Strafe nach sich zog.
Das ist kein leichter Stoff, den Lanthimos zur Größe einer griechischen Tragödie anschwellen lässt. Eiskalt packt die Geschichte zu und wirft uns in eine zutiefst moralische und zugleich zynische Allegorie auf die unterschwellige Gewalttätigkeit und die finstere Natur des Menschen. Das Ergebnis ist eine großartige Seherfahrung: Allegorisch beschreibt der Film die leise Ahnung, dass all die zivilisatorischen Errungenschaften und das Streben nach Wissen und Perfektion gegen das Dunkle in der Welt und in uns selbst nicht anleuchten kann.
Gleich das erste Bild eines pochenden, von Stahlklammern offengelegten Organs nimmt die Stoßrichtung vorweg: Nach „Dogtooth“ und „The Lobster“ unternimmt Yorgos Lanthimos ("Poor Things") erneut eine Operation am offenen Herzen unserer zivilisatorischen Gewissheiten.
Steven (Colin Farrell) heißt der Herzchirurg, der sich wie ein Halbgott in Weiß nach der OP in Zeitlupe die blutigen Handschuhe abstreift und sich mit seinem Anästhesisten über teure Armbanduhren austauscht. Stevens Frau Anna (Nicole Kidman) ist klug, schön und leitende Oberärztin einer Augenklinik. Die Kinder, eine 14-jährige Tochter und ein zwei Jahre jüngerer Sohn, haben die richtigen Hobbys und ein gehorsames Erscheinungsbild.
Alles könnte perfekt sein, in der Vorortvilla von Cincinnati, würde die Inszenierung von Yorgos Lanthimos dieses Abziehbild einer Bilderbuchfamilie nicht immer wieder so unheimlich verformen: Weitwinkel-Perspektiven lassen Gänge ins Unendliche wachsen. Die mal unangenehm hoch, mal dunkel pochenden Streicherklänge von Cellist Siegfried Palm wechseln sich mit Dialogen ab, die so aufgesetzt heruntergeleiert klingen, dass sie nur von innerer Entfremdung zeugen können.
UnHEIMlichkeit im wahrsten Wortsinne macht sich breit in dieser aseptischen, heruntergekühlten Umgebung mit der erstarrten Familienstruktur, in die sich ein waberndes, schwarzes Geschwür namens Martin (Barry Keoghan) einzunisten beginnt. Der plötzlich auftauchende junge Mann ist ein Artefakt aus Stevens Vergangenheit, das immer aufdringlicher wird und sich so wenig abschütteln lässt wie das Gefühl einer zunehmenden Bedrohung. Martin prophezeit den Untergang: Erst Lähmung, dann blutende Augen, final der Tod werden Stevens und Annas Kinder ereilen, wenn Steven nicht eines seiner Familienmitglieder opfert. Steven, der Hiob der Aufklärung, bleibt ungläubig. Doch der irreale Horror, der die ganze Zeit lauert, nimmt langsam und grausam Gestalt an.
Wo das metaphysische Setting von „The Lobster“ und „Poor Things“ bei Yorgos Lanthimos widerspruchslos Realität war, stemmen sich die Figuren in „The Killing of a Sacred Deer“ noch gegen die fantastische Prämisse und ihre tragischen Konsequenzen. Erst ziehen sie ungläubig medizinische Analysen heran. Dann wird auf Anna als Bittstellerin gesetzt. Zuletzt schreckt das Familienoberhaupt auch vor barbarischer Gewaltanwendung nicht zurück. Steven ist der hochtrabende, arrogante Agamemnon, dessen Tötung eines heiligen Hirschs in der „Iphigenie“-Sage schwere Strafe nach sich zog.
Das ist kein leichter Stoff, den Lanthimos zur Größe einer griechischen Tragödie anschwellen lässt. Eiskalt packt die Geschichte zu und wirft uns in eine zutiefst moralische und zugleich zynische Allegorie auf die unterschwellige Gewalttätigkeit und die finstere Natur des Menschen. Das Ergebnis ist eine großartige Seherfahrung: Allegorisch beschreibt der Film die leise Ahnung, dass all die zivilisatorischen Errungenschaften und das Streben nach Wissen und Perfektion gegen das Dunkle in der Welt und in uns selbst nicht anleuchten kann.